Nur elitäre Schnösel gegen Grüne Energiewende?


“Eines vorab: Ich bin parteiisch. Erst 1980 bin ich Parteimitglied der Grünen geworden. Aber schon 1973 habe ich den Segelsport am Rursee entdeckt, was sich bis heute nicht geändert hat.”
Ein langjähriger Grüner Kommunalpolitiker und Rurseefreund meldet sich zu Wort: Ein Leserbrief.


Foto: Rosemarie Schieren, Heimbach

Als Ausschuss- und später Ratsmitglied in einer Kommune, die von Rheinbraun und RWE dominiert wurde (Bergheim/Erft), waren die großen Energieversorgungsunternehmen (EVU) immer meine liebsten Feinde. Energiepolitik war in den 80iger Jahren unser wichtigstes Thema. Wir waren technikbegeisterte Verfechter einer modernen dezentralen und effizienten Energieversorgung. Und wir haben dabei immer auf die Stadtwerke gesetzt. Leider hat es mehr als 30 Jahre gedauert, bis unsere Visionen in greifbare Nähe rücken.

 

Dank des EEG und der plötzlichen Energiewende wird jetzt ein enormer Forschungsbedarf, im Bereich der Energiespeicherung offenbar.

 

30 Jahre lang wurde in Deutschland kein neues Pumpspeicherkraftwerk gebaut (Ausnahme: Goldisthal/Thüringen, wo dies nach dem Mauerfall noch möglich war).

 

Gegen neue PSW sprachen schwerwiegende Auswirkungen auf die Seeökologie, die Schädigung kleiner Lebewesen im Wasser (u.a. Fische), die Beeinträchtigung von Fischlaich und Uferbewuchs sowie die Störung der im Uferbereich nistenden Vögel. Gegenüber der Bevölkerung galten neue Pumpspeicherkraftwerke als nicht durchsetzbar.

 

Das scheint sich jetzt mit der Energiewende zu ändern.

 

Als „Manöver des letzten Augenblicks“ sollen traditionelle Pumpspeicherkraftwerke (PSW) die Lücke füllen, bis neue Speichertechnologien verfügbar sind. Klar ist schon jetzt: Pumpspeicher sind nur eine Interimslösung und nur ein Trippelschritt in die (falsche) Richtung. Denn zur Lösung des Speicherproblems wären in Deutschland Hunderte von Pumpspeichern nötig – eine Utopie.

 

Trotzdem geraten auch Standorte, die bislang für PSW undenkbar waren, in den Fokus.
Mit dem Rursee würde meines Erachtens ein herausragendes Erholungsgebiet geopfert, das nach erheblichen öffentlichen und privaten Investitionen endlich wieder großen Zuspruch bei Erholungswilligen und Naturfreunden findet. Zuvor war die Entwicklung etwa 20 Jahre lang rückläufig.

 

Trotz aller Beteuerungen des Projektentwicklers Trianel: Dieses zarte Pflänzchen steht mit dem Bau eines Pumpspeicher-Kraftwerks auf dem Spiel. Eine Region, die stark auf den Tourismus angewiesen ist, spielt hier mit dem Feuer. Freizeitnutzungen aller Art von Angeln bis Paddeln, Segeln, Schwimmen und Tauchen etc. werden deutlich an Attraktivität verlieren. Daran lassen auch die wachsweichen Bekundungen von Trianel keinen Zweifel. Wenn im 24-Stunden Rhythmus der Wasserstrom der Mosel aus dem See/in den See gepumpt wird, bleibt das nicht ohne ökologische Folgen.

 

Nach allen Erfahrungen mit öffentlichen Großvorhaben ist de facto von einer deutlich längeren Bauzeit auszugehen. Ob anschließend zum zweiten Mal eine Wiederbelebung des regionalen Tourismus gelingt, wage ich zu bezweifeln.

 

Auch bei einem späteren Rückbau des PSW würde der gewässerbiologische Schaden nur langfristig heilen.

 

Gestatten Sie mir noch einige Anmerkungen zum Projektentwickler des PSW Rursee, also zu Trianel:

 

Trianel präsentiert sich als ein Netzwerk von rd. 50 Stadtwerken mit internationalem Anspruch und tritt als kleine aber politisch korrekte Alternative zu den vier großen Energieversorgern auf.

 

Ein Blick auf Trianels Gesellschafterstruktur zeigt folgendes Bild (Quelle: trianel.com): Die fünf größten Gesellschafter von Trianel halten rd. 55 % der Anteile, also die ‚absolute Mehrheit‘. Die restlichen 45 % der Anteile werden von einer Vielzahl kleiner und kleinster Gesellschafter gehalten. In der Mehrzahl liegt ihr Anteil bei höchstens 0,5 %! Die Verteilung ist geradezu atomistisch.

 

Unter den größten Anteilseignern ragt die Energie- und Wasserversorgung Mittleres Ruhrgebiet GmbH (EWMR) hervor, die 25 % der Gesellschafteranteile von Trianel hält. EWMR wiederum ist zu knapp 60 % im Besitz der Stadt Bochum (direkt und mittelbar). Die restlichen Anteile an EWMR halten die Städte Herne und Witten. Fazit:
An EWMR / den Stadtwerken Bochum kommt angesichts eines faktischen ‚Gesellschafteranteils‘ von 25% / 15 % bei Trianel niemand vorbei.

 

Gestatten Sie mir auch den Hinweis, daß es die Bochumer Stadtwerke waren, die dem Referenten Peer Steinbrück im Rahmen des sog. „Atriumtalks“ ein stolzes Honorar in Höhe von 25.000 Euro zahlen konnten.
Zweitwichtigster Anteilseigner von Trianel sind die Stadtwerke Aachen (rd. 12,13 %). Mit weitem Abstand folgen die Überlandwerke Fulda AG (7,54 %) sowie die Stadtwerke Bonn und Lübeck (5,88 % bzw. 5,19 %).

 

Trianel beschreibt sich als Dienstleister, der Stadtwerke in vielfältigen Fragen berät und ihnen hilft, trotz aller Unsicherheiten im gegenwärtigen Energiemarkt ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Trianel unterstützt bei der Beschaffung und Vermarktung von Energie, übernimmt Mengen- und Preisrisiken etc. Die Gesellschafter können sich an zukunftsweisenden Großprojekten von Trianel auch finanziell beteiligen.

 

Mein Eindruck ist folgender: Einige große Stadtwerke ziehen hier eine Vielzahl kleiner und kleinster Akteure hinter sich her, die sich zuvor hilfesuchend unter die Fittiche von Trianel begeben haben.
Nach außen stellt sich Trianel immer wieder als großes Netzwerk gleichberechtigter Partner dar. Die Gesellschafterstruktur und die Abhängigkeitsverhältnisse innerhalb von Trianel lassen dies jedoch kaum erwarten. Von den kleineren/kleinsten Anteilseignern – und das ist bei weitem die Mehrzahl – ist keine wirkliche Kontrolle oder Kritik vorstellbar. Zu groß erscheint der Informationsvorsprung der „starken“ Gesellschafter .

 

Die Trianel-Konstellation erinnert ein wenig an die unangreifbare Situation, in der sich die EVUs in vergangenen Jahrzehnten befanden. Als Verband von rd. 50 Stadtwerken ist Trianel quasi ‚demokratisch‘ legitimiert und kaum kritisierbar.

 

Die Gefahr, daß sich hier ein besonders geschickt aufgestellter Akteur verselbständigt und der öffentlichen Kontrolle entzieht, ist m.E. nicht von der Hand zu weisen – zumal Trianel sich als gemeinsames Sprachrohr der Stadtwerke gegenüber der Politik versteht.

 

Unter der Flagge der Energiewende segelnd, sind Trianel-Projekte erst recht gegen jede Kritik immunisiert . Und das sage ich als jemand, der den Stadtwerken gegenüber immer sehr aufgeschlossen war.
Der Widerstand der Bevölkerung, der Tourismuswirtschaft sowie der Erholungssuchenden am Rursee ist jedenfalls erheblich und wird von mir geteilt. Einen Pumpspeicher wird der Rursee nicht verkraften, weder ökologisch noch touristisch – erst recht nicht in diesen Dimensionen und mit Pegelschwankungen von bis zu 2 Metern.

 

Vor diesem Hintergrund möchte ich alle Verantwortlichen bitten, das von Trianel geplante PSW am Rursee mit der gebotenen kritischen Distanz zu beurteilen. Immerhin können kommunale Unternehmen rd. 1 Milliarde Euro auch nur einmal ausgeben.

 

Bei der Umsetzung der Energiewende wünsche ich den GRÜNEN vor Ort weiterhin viel Erfolg und vor allem eine ruhige Hand.

 

Peter Mathei

 

P.S.
Die Mär, daß nur eine elitäre kleine Minderheit gegen das PSW opponiert, hat nichts mit der Realität zu tun. Und die Zeiten, in denen sich am Rursee elitäre Gruppen tummelten, sind vorbei – seit 20 Jahren!


Kommentare und Pings sind geschlossen.

9 Kommentare

  1. Danke für diesen Beitrag. Er sollte überall veröffentlicht und für die politischen Entscheider zur Pflichtlektüre werden.

  2. Dr.Bauer sagte am 18. April 2013 um 14:51

    Die Analyse der Gesellschafterstruktur von Trianel ist aufschlussreich und erschreckend. Allein die anrüchige Zahlung von 25000 Euro des Trianel Gesellschafters, der Stadtwerke Bochum, an den Herrn SDP Kanzlerkandidaten Steinbrück zeigt doch den ganzen üblen Filz aus profitgierigen Stromhändlern und geldgierigen, ahnungslosen Grün-Roten Politikern.

    Wenn wir dieses Monsterprojekt nicht stoppen, dann werden die Trianel Gesellschafter und ihre politischen Handlanger weit entfernt vom Ort der eintretenden Umweltkatastrophe in ihren Villen in Düsseldorf, Köln, Aachen, Bochum , Herne … vor Lachen nicht einschlafen können und wir, die Eifeler und unsere Kinder, werden die Rechnung bezahlen.

  3. Eifelwanderer sagte am 18. April 2013 um 21:06

    Ich schliesse mich Peter Mathei und Dr Bauer an. Die oben genannten Daten waren mir so nicht bekannt. Hoch interessant und aufschlussreich. Danke!! Der Beitrag sollte wiklich überall veröffentlicht und für die politischen Entscheider zur Pflichtlektüre werden.

  4. Martina Scheelen sagte am 27. April 2013 um 21:26

    Sehr gut recherchiert. Danke für diesen Beitrag.
    Hoffentlichen lesen ihn die Herren Krischer und Stockschlaeder.

  5. Christoph sagte am 6. Mai 2013 um 15:44

    Die Grünen haben doch ihre gesamten Einkünfte veröffentlicht, oder habe ich da irgend etwas falsch verstanden?
    Dann müßte doch auch ein Herr Krischer das entsprechend dem Parteibeschluß getan haben.
    Sollten wir nicht einmal nachsehen, von wem er denn für sein vehementes Eintreten für ein PSW am Rursee gesponsort wurde. Ohne Geld dafür zu bekommen, kann ein ordentlicher Grüner sich nicht rational denkend für das PSW positionieren.

  6. D.Bauer sagte am 10. Mai 2013 um 11:59

    Eine sehr gute Idee. Dann sollte man auch gleich prüfen, wo der Anreiz der Grünen Landtagsabgeordneten Frau Zentis für ihr unglaubliches Engagement für das Trianel PSW seine Wurzel haben könnte.
    Der Umweltschutz ist es sicherlich nicht.

  7. Christoph sagte am 14. Mai 2013 um 14:47

    Tja, sehr auskunftsftreudig ist Herr Oliver Krischer nicht! Weder auf der Site des Bundestages noch auf seiner eigenen Website macht er hinreichend aussagekräftige Angaben zu seinen Einkünften. Ein paar Sitzungsgelder hier und da und ein Paar Euro Einnahmen aus seiner Solaranlage auf dem Dach, das wars. Wovon lebt der Herr denn sonst noch mit seiner Familie? Keine Aussagen zu Diäten etc.
    Da mauert einer, was das Zeug hält.

    Interessant ist aber, wo er überall in welchen Gremien sitzt. Interessenkonflikte sind da m.E. jedoch mehr als offensichtlich.

    Von wegen Gleicher unter Gleichen. Manche sind eben gleicher. Das war auch im realen Sozialismus so.

  8. K-P Herbst sagte am 17. Mai 2013 um 15:00

    Ich bin seit etwa 1980 auch parteiisch und kann unseren Parteikollegen Krischer nicht verstehen, der wie ein kleines bockiges Kind an seinen Ansichten festhält. Was dahinter steckt gibt vielen meiner Segelkameraden sehr zu denken.……
    Zum Glück haben wir beim Kampf gegen den industriellen Wahnsinn, sehr natürliche Mitstreiter:
    Erstens alle; durch Pumpe und Turbine gemangelten Lebewesen, die nach dem Druckunterschied von etwa 25 bar, zur allgemeinen, toxischen Rursee- Fischsuppe beitragen werden.
    Speziell für Taucher wird der Aufenthalt im See ein einzigartiges, kloakenhaftes Geschmacksabenteuer werden.
    Unser nächster Mitkämpfer ist der “Winter”, dessen Auswirkungen hier in der Bi nach meinem Dafürhalten noch niemand überdacht hat.
    Als Handwerker bin ich gewohnt, den absoluten Supergau anzunehmen: Alle 6 Stunden brechendes Eis; auf Ober und Untersee, dürfte dem geplanten Speicherwerk sehr zu schaffen machen.
    Über die unfreiwillige Winter-Arbeit der Rursee-Schifffahrt und der Stegplatz-Betreiber, bei ca. 20 cm Eisdicke, und 2 m unnatürlichem “Tidenhub” möge sich eine Spezialeinheit der Bürgerinitiative mal kräftig Gedanken machen.
    Mit herzlichen Grüßen
    Karl-Peter Herbst

  9. Jürgen Steinberg sagte am 9. Juni 2013 um 14:36

    Ich hoffe, daß das PSW nicht kommt!!!
    Wir im Ballungsraum brauchen das Naherholungsgebiet, so wie es ist und bleiben soll, besonders ohne Pegelschwankung und ohne Jahrzehnte-Baustelle!!!

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